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Ein Aufruf zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) von Studierenden, Mitarbeiter:innen und Wissenschaftler:innen der Freien UniversitÀt Berlin
Warum die Freie UniversitĂ€t Berlin eine Politik des akademischen Boykotts gemÀà den ethischen Richtlinien von BDS gegenĂŒber israelischen UniversitĂ€ten und anderen Institutionen verfolgen muss, die an Apartheid, Besatzung, Siedlerkolonialismus und/oder Völkermord beteiligt sind.
Israel ist ein Apartheidstaat und eine Besatzungsmacht. Seit Oktober 2023 begeht der israelische Staat einen Völkermord im Gazastreifen, wĂ€hrend er Krieg und Aggression gegen die Bevölkerung im Libanon, in Syrien, im Jemen und im Iran fĂŒhrt. WĂ€hrend wir diesen Aufruf verfassen, besetzt Israel illegal neue Gebiete und bereitet die Annexion bereits besetzten Landes vor.
Die Freie UniversitĂ€t Berlin (FU) ist als Institution mitschuldig an der UnterstĂŒtzung und Beihilfe zum Völkermord in Gaza. Sie hat dies vor allem dadurch getan, dass sie die RealitĂ€t und sogar das palĂ€stinensische Leiden als solches geleugnet hat.
Gegen diese Politik formierte sich im Herbst 2023 ein legitimer und berechtigter Widerstand, der vor allem von Studierenden getragen und von Mitarbeiter:innen und Wissenschaftler:innen unterstĂŒtzt wurde. Sie organisierten verschiedene Aktionen auf dem Campus, die von selbst organisierten Vortragsreihen bis hin zu Protesten wie Sit-Ins, Die-Ins und Kundgebungen, Besetzungen von HörsĂ€len und Camps in den Jahren 2023 und 2024 reichten. Die Demonstrant:innen erkannten zunehmend, dass das Schweigen der UniversitĂ€ten mit einer tief verwurzelten Mitschuld der FU als Institution an israelischer Apartheid, Siedlerkolonialismus, Besatzung und Völkermord zusammenhĂ€ngt.
Die Verwaltung reagierte mit der Kriminalisierung und GefĂ€hrdung der protestierenden Studierenden, Mitarbeiter:innen und Wissenschaftler:innen sowie der EinschĂŒchterung der gesamten UniversitĂ€tsgemeinschaft. Dazu gehörte auch die Aufgabe der akademischen Freiheit und der universitĂ€ren Autonomie, als z.B. die Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger oder der BĂŒrgermeister von Berlin Kai Wegner forderten, die Polizei auf den Campus zu bringen, um gegen die Studierenden vorzugehen. Seit Dezember 2023 hat dies in zahllosen FĂ€llen zu einer kontinuierlichen Verrohung gegenĂŒber und Hospitalisierung von Studierenden gefĂŒhrt. In mehr als 100 FĂ€llen erstattete, die UniversitĂ€t Anzeige gegen Studierende der FU, weil sie auf dem GelĂ€nde ihrer eigenen UniversitĂ€t protestierten.
Die Behauptung der UniversitĂ€t, die Studierenden seien GefĂ€hrder:innen oder Antisemit:innen, wĂ€hrend die FU-Verwaltung den Dialog suche, ist falsch. Im Gegenteil, die Aktionen und falschen Behauptungen der FU-Verwaltung haben auf dem Campus und darĂŒber hinaus eine AtmosphĂ€re der Angst geschĂŒrt und Falschnachrichten geschaffen. TatsĂ€chlich aber setzt die FU willkĂŒrlich EinschrĂ€nkungen der akademischen Freiheit und anderer Grundrechte auf GeheiĂ von Regierungsvertreter:innen durch, um weiterhin mit mit israelischen UniversitĂ€ten und anderen Institutionen zu kooperieren, die an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt sind.
Die FU-Verwaltung schĂŒchtert jene ein, die ihre Meinung sagen, und kriminalisiert jene, die konkrete MaĂnahmen ergriffen haben. Die FU-Verwaltung verhöhnt ihr eigenes Motto âVeritas, Iustitia, Libertasâ (Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit), indem sie behauptet, das Wesen der akademischen Freiheit bestehe in der UntersĂŒtzung einer kriminellen Politik und von Verbindungen der FU zu israelischen UniversitĂ€ten und Institutionen.
Das Vorgehen der FU-Verwaltung kommt allerdings nicht von ungefĂ€hr. Die FU ist seit langem ein strategischer Partner israelischer UniversitĂ€ten und Institutionen. Die FU beteiligt sich an der ideologischen Normalisierung von Apartheid und Besatzung und fördert Beziehungen, die die Soft Power des israelischen Staates gegenĂŒber deutschen Akademiker:innen und Intellektuellen und folglich auch gegenĂŒber der deutschen Gesellschaft und deutschen politischen EntscheidungstrĂ€ger:innen gestĂ€rkt haben. Die FU hat ebenfalls zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die PalĂ€stinenser:innen beigetragen, indem sie den wissenschaftlichen Austausch mit Institutionen gefördert hat, die es dem israelischen Staat ermöglichen, historische und politische Narrative, militĂ€rische Strategien und Waffen gegen die PalĂ€stinenser:innen und andere Bevölkerungsgruppen zu entwickeln, um Besatzung und Apartheid auf verschiedene direkte und indirekte Weisen zu fördern oder aufrechtzuerhalten.
Diese ZusammenhĂ€nge werden in unserem ausfĂŒhrlichen BDS-Bericht mit konkreten Forderungen und VorschlĂ€gen zur Umsetzung des akademischen Boykotts dargelegt, der von Studierenden, Mitarbeiter:innen und Wissenschaftler:innen der Freien UniversitĂ€t Berlin veröffentlicht wurde.
Das AusmaĂ und die verschiedenen Formen der Komplizenschaft zeigen sich u.a. durch (1) die Kooperation mit der HebrĂ€ischen UniversitĂ€t Jerusalems, die Austauschstudierende der FU Berlin auf illegal besetztem Land und in Wohnheimen, die illegale Siedlungen darstellen, aufnimmt (2) durch die Kooperation mit der UniversitĂ€t Haifa, die direkt als AusbildungsstĂ€tte fĂŒr Offiziere der israelischen Besatzungsarmee fungiert oder (3) durch die Kooperation mit dem Israel Institute of Technology (Technion), das ein wichtiger Knotenpunkt fĂŒr die Entwicklung von MilitĂ€rtechnologie ist, die speziell fĂŒr die Aufrechterhaltung und Vertiefung der Kolonisierung und der Apartheid entwickelt wurde, wie z. B. der vom Technion entwickelte D9 Bulldozer, der dafĂŒr bekannt ist, palĂ€stinensische Dörfer und StraĂen zu zerstören oder die Leichen von toten (und lebenden) PalĂ€stinenser:innen zu zermalmen, wie wĂ€hrend des Völkermords im Gazastreifen geschehen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum der deutsche Staat heute versucht, Boykott-Divestment-Sanktionen (BDS) weiter zu kriminalisieren, und zwar durch BeschlĂŒsse, die staatliche Institutionen, darunter auch UniversitĂ€ten, dazu auffordern, Grundrechte willkĂŒrlich zu beschneiden, um die BDS-Bewegung zu bekĂ€mpfen. Es geht schlicht darum, die eigene Mitschuld an diesen Verbrechen zu vertuschen. Diese bösartige Reaktion zeigt jedoch, dass BDS wie im Falle SĂŒdafrikas ein wirksames Instrument ist, um die Apartheid ideologisch in Frage zu stellen und ungerechte Regime materiell und politisch zu isolieren.
Im Dezember 2024 stimmte die Vollversammlung der Studierenden der FU, an der 1600 Studierende teilnahmen, mit ĂŒberwĂ€ltigender Mehrheit dafĂŒr, dass die FU-Verwaltung den Völkermord in Gaza sowie die israelische Apartheid und Besatzung anerkennt. Die Vollversammlung forderte die EinfĂŒhrung geeigneter MaĂnahmen, die zur Beendigung dieser GrĂ€ueltaten beitragen sollen.
Studierende, Mitarbeiter:innen und Wissenschaftler:innen, die diesen Aufruf fĂŒr BDS an der FU veröffentlichen, sind der Ansicht, dass ein akademischer Boykott gemÀà den ethischen Richtlinien von BDS gegenĂŒber israelischen UniversitĂ€ten und anderen Institutionen, um Völkermord, Besatzungsregime, Siedlerkolonialismus und Apartheid zu beenden, die einzig angemessene und hinreichende Reaktion der FU Berlin unter den derzeitigen UmstĂ€nden sein kann.
Der akademische Boykott von Institutionen, die diese Verbrechen ermöglichen oder unterstĂŒtzen, ist eine legitime Form des gewaltfreien Widerstands und eine moralische Verpflichtung fĂŒr die heutige akademische Gemeinschaft. Wenn die akademische Gemeinschaft der FU dieses Ziel erreichen will, muss sie auch gegen eine Regierungs- und Staatspolitik Stellung beziehen, die fundamentale Grundrechte in Frage stellt. Eine solche Haltung einnehmen zu können und zu erfĂŒllen, ist unter den gegebenen Bedingungen freilich schwer. Diese Haltung einnehmen zu können ist aber gerade das Wesen der akademischen Freiheit. Vor allem aber ist die Forderung nach und Umsetzung von akademischem Boykott mit dem Ziel des Schutzes von Menschenrechten und zur Erringung essentieller Selbstbestimmungsrechte der PalĂ€stinenser:innen mehr als ein grundlegendes Recht. Im Angesicht des Gaza-Völkermordes ist es unsere grundlegende Pflicht.
Freie UniversitÀt Berlin, den 19. Februar 2025